Unterhalt: Aufrechnung mit privater Forderung gegen auf Jobcenter übergegangene Unterhaltsansprüche?

Ist eine Aufrechnung mit privaten Forderungen des Unterhaltspflichtigen gegen auf das Jobcenter übergegangene Unterhaltsansprüche möglich?

 

Der BGH hatte in seinem noch nicht veröffentlichten Beschluss vom 08.05.2013 (Beschluss des XII. Zivilsenats vom 8.5.2013 – XII ZB 192/11 -) über diese Frage zu befinden und entschied laut Mitteilung der Pressestelle des Bundesgerichtshofs (Pressemitteilung Nr. 84/13 vom 08.05.2013), dass sich auch der Sozialleistungsträger auf das gesetzliche Aufrechnungsverbot berufen dürfe.

 

Im streitigen Fall zahlte das Jobcenter an die vom Kindesvater getrenntlebende Mutter des von ihr allein betreuten gemeinsamen nicht ehelich geborenen Kindes Grundsicherungsleistungen in Höhe von insgesamt 11.678 €, nachdem der Kindesvater in den ersten drei Lebensjahren des Kindes keinen Betreuungsunterhalt an die Kindesmutter erbrachte.

 

Diesen Betrag forderte das Jobcenter nun aus übergegangenem Recht der Kindesmutter vom unterhaltspflichtigen Kindesvater. Der erklärte gegen diese Forderung die Aufrechnung mit Rückzahlungsansprüchen, die ihm selbst gegen die Kindesmutter zustehen, und zwar aus einem ihr noch vor der Geburt des gemeinsamen Kindes gewährten Darlehen über 12.500,00 €.

 

Sowohl das Amtsgericht als auch das Oberlandesgericht entschieden zugunsten des Jobcenter. Und auch der BGH bestätigte nun die Zahlungspflicht des Kindesvaters aus folgenden Erwägungen:

 

„Werden für den Unterhaltsberechtigten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erbracht, geht dessen Unterhaltsanspruch kraft Gesetzes auf den Sozialleistungsträger über. Das gesetzliche Verbot, gegen Unterhaltsansprüche mit privaten Forderungen aufzurechnen, knüpft zwar an den zivilprozessualen Pfändungsschutz nach § 850 b Abs. 1 Nr. 2 ZPO an, den ein Sozialleistungsträger – anders als der Unterhaltsberechtigte – nicht benötigt. Durch das Aufrechnungsverbot sollen aber nicht nur die wirtschaftlichen Lebensgrundlagen des Unterhaltsberechtigten, sondern auch die Sozialsysteme geschützt werden, die beim Wegfall dieser Lebensgrundlagen für das Existenzminimum des Unterhaltsberechtigten einzustehen hätten. Könnten sich die Träger der Grundsicherung nicht auf das Aufrechnungsverbot berufen, stünde es dem Unterhaltsverpflichteten frei, den Unterhaltsberechtigten durch Zahlungsverweigerung zur Inanspruchnahme von Sozialleistungen zu zwingen, um anschließend durch Aufrechnung private Forderungen gegen den Unterhaltsberechtigten zu Lasten der Allgemeinheit beizutreiben. Dies widerspricht auch dem Grundsatz des Nachrangs von Sozialleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.

 

§ 33 SGB II

(1) Haben Personen, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beziehen, für die Zeit, für die Leistungen erbracht werden, einen Anspruch gegen einen Anderen, der nicht Leistungsträger ist, geht der Anspruch bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen auf die Träger der Leistungen nach diesem Buch über, wenn bei rechtzeitiger Leistung des Anderen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht erbracht worden wären …

 

§ 394 BGB

Soweit eine Forderung der Pfändung nicht unterworfen ist, findet die Aufrechnung gegen die Forderung nicht statt …

 

§ 850 b ZPO

(1) Unpfändbar sind ferner

(…)

2. Unterhaltsrenten, die auf gesetzlicher Vorschrift beruhen, sowie die wegen Entziehung einer solchen Forderung zu entrichtenden Renten

(…)

(2) Diese Bezüge können nach den für Arbeitseinkommen geltenden Vorschriften gepfändet werden, wenn die Vollstreckung in das sonstige bewegliche Vermögen des Schuldners zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers nicht geführt hat oder voraussichtlich nicht führen wird und wenn nach den Umständen des Falles, insbesondere nach der Art des beizutreibenden Anspruchs und der Höhe der Bezüge, die Pfändung der Billigkeit entspricht.“

 

Mitteilung der Pressestelle des Bundesgerichtshofs  Nr. 84/13 vom 8.5.2013 zum Beschluss des XII. Zivilsenats vom 8.5.2013 – XII ZB 192/11 –