Unterhalt: Ausbildungsunterhalt für Volljährige

Der Bundesgerichtshof hatte darüber zu entscheiden, ob ein volljähriges Kind, das erst mit einer Verzögerung von drei Jahren nach Schulabschluss eine Erstausbildung beginnt, gegen seine Eltern – hier gegen den Vater – einen Anspruch auf Ausbildungsunterhalt hat und gab letztlich der klagenden Tochter Recht.

 

Mit einem Notendurchschnitt von 3,6 beendete die Antragstellerin im Sommer 2007 die Realschule. In den folgenden drei Jahren war sie als ungelernte Kraft tätig und absolvierte Praktika in der Hoffnung, so einen Ausbildungsplatz zu erhalten, was ihr letztlich ab August 2010 auch gelang. Ihren Unterhaltsbedarf deckte sie Antragstellerin in der Zeit von Juli 2007 bis zum Beginn ihrer Ausbildung zur Fleischereifachverkäuferin durch ihre Tätigkeiten selbst ab.

 

Ab Ausbildungsbeginn nahm die Tochter den Vater auf Unterhalt in Anspruch. Das Familiengericht hat ihren Vater, den Antragsgegner, dazu verpflichtet, rückständigen Ausbildungsunterhalt ab September 2010 und laufenden Unterhalt in Höhe von monatlich 218,82 € zu zahlen. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde des Antragsgegners zurückgewiesen und auch seine Rechtsbeschwerde blieb ohne Erfolg.

 

„Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der aus §§ 1601, 1610 Abs. 2 BGB folgende Anspruch eines Kindes auf Finanzierung einer angemessenen, seiner Begabung, Neigung und seinem Leistungswillen entsprechenden Berufsausbildung vom Gegenseitigkeitsprinzip geprägt. Der Verpflichtung der Eltern auf Ermöglichung einer Berufsausbildung steht auf Seiten des Kindes die Obliegenheit gegenüber, sie mit Fleiß und der gebotenen Zielstrebigkeit in angemessener und üblicher Zeit zu beenden. Verletzt das Kind nachhaltig seine Obliegenheit, seine Ausbildung planvoll und zielstrebig aufzunehmen und durchzuführen, büßt es seinen Unterhaltsanspruch ein und muss sich darauf verweisen lassen, seinen Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit selbst zu verdienen.

Mit seiner heutigen Entscheidung hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass auch eine dreijährige Verzögerung der Aufnahme einer Erstausbildung infolge zwischenzeitlich geleisteter Praktika und ungelernter Tätigkeiten noch der Obliegenheit des Kindes entsprechen kann, seine Ausbildung planvoll und zielstrebig aufzunehmen.

Bewerber mit schwachem Schulabgangszeugnis seien verstärkt darauf angewiesen, durch Motivation und Interesse an dem Berufsbild zu überzeugen. Dies könne auch durch vorgeschaltete Berufsorientierungspraktika oder mittels eines Einstiegs über eine (zunächst) ungelernte Aushilfstätigkeit gelingen. Die Aufnahme solcher vorgelagerter Beschäftigungsverhältnisse bedeute daher jedenfalls dann keine nachhaltige Obliegenheitsverletzung, wenn sie in dem Bemühen um das Erlangen eines Ausbildungsplatzes geschehe.“

 

Quelle: Pressemitteilung Nr. 109/13 des Bundesgerichtshofs vom 03.07.2013  zum Beschluss vom 3. Juli 2013 – XII ZB 220/12