Unterhaltsrechtliche Leitlinien des Oberlandesgerichts Braunschweig – seit 1.1.2021 Abzug von 1/10 Erwerbstätigenbonus beim Ehegattenunterhalt

Der Unterhaltsbedarf des getrennt lebenden und geschiedenen Ehegatten beläuft sich grundsätzlich auf die Hälfte des zusammengerechneten eheprägenden bereinigten Einkommens beider Ehegatten (Halbteilungsgrundsatz).

Soweit die Einkünfte auf Erwerbstätigkeit beruhen, billigt die Rechtsprechung bei der Berechnung von Ehegattenunterhalt dem Verpflichteten und auch dem Berechtigten einen Erwerbstätigenbonus zu, um den das unterhaltsrechtlich zu berücksichtigende Einkommen gekürzt und erst dann in die Unterhaltsberechnung eingestellt wird. Sinn und Zweck des Erwerbstätigenbonus ist u.a. der Anreiz zur Erwerbstätigkeit. Somit kann dieser Bonus also nur bei Erwerbseinkünften relevant werden und wird bei Einkünften anderer Art (Einkünften mit Lohnersatzfunktion, Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, Renteneinkünften, Zinseinkünften, etc.) nicht gewährt.

Doch wie hoch ist dieser Erwerbstätigenbonus?

Hier gibt es keine bundeseinheitliche Vorgabe, vielmehr liegt die Höhe des Erwerbstätigenbonus im Ermessen der Gerichte. Dementsprechend wird der Erwerbstätigenbonus in den einzelnen Oberlandesgerichtsbezirken in unterschiedlicher Höhe bemessen, entweder wird ein Erwerbstätigenbonus von 1/7 oder ein solcher von 1/10 angesetzt, der nach Vorwegabzug berufsbedingter Aufwendungen, des Kindesunterhalts und sonstiger berücksichtigungsfähiger Schulden berechnet wird.

Bislang haben die unterhaltsrechtlichen Leitlinien des Oberlandesgerichts Braunschweig einen Erwerbstätigenbonus von 1/7 vorgesehen. Seit dem 1.1.2021 wird nun ein Erwerbstätigenbonus von 1/10-Anteil berücksichtigt. 

Damit hat das Oberlandesgericht Braunschweig seine Leitlinien in diesem Punkt der Entscheidung des BGH vom 13.11.2019 (BGH, Beschluss vom 13.11.2019 – Az. XII ZB 3/19 – §§ 1578, 1578 b BGB) angepasst. Die insoweit maßgeblichen Leitsätze lauten:

1. Soweit bei der Bemessung des unterhaltsrelevanten Einkommens bereits berufsbedingte Aufwendungen abgezogen wurden, spricht nichts dagegen, den Erwerbstätigenbonus – wie es die Süddeutschen Leitlinien vorsehen – allgemein mit einem Zehntel zu berücksichtigen.

2. Der Erwerbstätigenbonus ist auch dann in die Unterhaltsberechnung einzustellen, wenn er allein beim Unterhaltsberechtigten anfällt, etwa weil der Unterhaltspflichtige bereits Rentner ist.

Mit dieser Entscheidung hat der BGH nochmals ausdrücklich bestätigt, dass bei der Bemessung des Ehegattenunterhalts ein Erwerbstätigenbonus als weiterer Erwerbsanreiz abgezogen werden kann, auch wenn bereits berufsbedingte Aufwendungen (entweder pauschal mit 5 % oder konkret) bei der Einkommensberechnung berücksichtigt wurden. Dabei ist der Erwerbstätigenbonus sowohl bei einem Unterhaltspflichtigen als auch bei einem Unterhaltsberechtigten zu berücksichtigen, und zwar auch für den Fall, dass nur einer diesen für sich in Anspruch nehmen kann. Hinsichtlich der Bonushöhe erachtet der BGH eine bundeseinheitliche Regelung von 1/10 für sinnvoll, jedenfalls dann, wenn bereits 5 % an berufsbedingten Aufwendungen pauschal abgezogen worden sind.

Und was bedeutet der neue Erwerbstätigenbonus von 1/10 nun rechnerisch?

Angenommen der Unterhaltsverpflichtete verfügt über ein bereinigtes Einkommen von 2.000 € monatlich, der Unterhaltsberechtigte über ein solches von 1.000 €.

Bislang, also bei Berücksichtigung eines Erwerbstätigenbonus von jeweils 1/7, ergab sich ein Unterhaltsanspruch von 428,57 €, aufgerundet also monatlich 429,00 €.

Bei dem nun aktuell zu berücksichtigenden Erwerbstätigenbonus von 1/10 beträgt der Unterhaltsanspruch hingegen 450,00 € monatlich.